Gewerbliche Mietverträge – Inkrafttreten des Pinel-Gesetzes
Gewerbliche Mietverträge – Inkrafttreten des Pinel-Gesetzes
(Ursprünglich veröffentlicht als Newsletter – 28.Juli 2016)
Das sogenannte Pinel-Gesetz Nr. 2014-626 zur Förderung des Gewerbes, des Handwerks und der Kleinunternehmen vom 18. Juni 2014 ist am 20. Juni 2014 in Kraft getreten. Dieses Gesetz stellt eine tiefgreifende Reform des französischen Gewerbemietrechts dar.
Insbesondere ist es gemäß Artikel L.145-4 des französischen Handelsgesetzbuch (Code de commerce) nicht mehr möglich, gewerbliche Mietverträge mit einer festen Laufzeit von mehr als 3 Jahren abzuschließen, da dem Mieter eine Kündigungsmöglichkeit alle drei Jahre zusteht. Lediglich in drei Ausnahmefällen ist die Abbedingung der Kündigungsmöglichkeit des Mieters möglich:
- gewerbliche Mietverträge, die eine ursprüngliche Mietdauer von mehr als neun (9) Jahren vorsehen;
- gewerbliche Mietverträge über Räumlichkeiten, die zu Bürozwecken vermietet werden;
- gewerbliche Mietverträge über einwertige Räumlichkeiten.
Grundsätzlich gilt das Pinel-Gesetz für sämtliche ab dem 20. Juni 2014 abgeschlossene oder erneuerte gewerbliche Mietverträge. Das Gesetz sieht hierzu bestimmte Ausnahmen vor, nicht allerdings für die Dauer oder die Kündigungsmöglichkeit.
Gemäß Artikel 2 des französischen Zivilgesetzbuch (Code civil) wirken Gesetze nur für die Zukunft und nicht für die Vergangenheit. Selbst Verträge, die vor dem Gesetz abgeschlossen worden sind und nach dem Gesetz noch Auswirkungen haben, sind grundsätzlich von dem neuen Gesetz nicht betroffen.
Ausnahmsweise können Gesetze jedoch rückwirken, wenn sie die öffentliche Ordnung (ordre public) betreffen oder wenn sie die rechtlichen Konsequenzen des Vertrages regeln.
Demzufolge war die herrschende Meinung davon ausgegangen, dass die Änderungen über die Dauer der gewerblichen Mietverträge lediglich für ab dem 20. Juni 2014 abgeschlossene oder erneuerte gewerbliche Mietverträge gelten.
Ein Urteil des Berufungsgerichts Poitiers (2. Zivilkammer), vom 26. April 2016 hatte diese Meinung bestätigt.
In einer ministeriellen Antwort vom 31. Mai 2016 auf eine Frage eines Abgeordneten wird jedoch befunden, dass Artikel L.145-4 des französischen Handelsgesetzbuches auf bei Inkrafttreten des Pinel-Gesetzes bestehende Mietverträge anwendbar ist.
Diese Meinung wird dadurch gerechtfertigt, dass die dreijährliche Kündigungsmöglichkeit des Mieters dem Schutz der öffentlichen Ordnung (Ordre public) unterliege und somit ab Inkrafttreten des Pinel-Gesetzes gelten müsse.
Dieser Auslegung folgend wären gewerbliche Mietverträge, die bereits am 20. Juni 2014 bestanden und die keiner der oben genannten Ausnahmen unterliegen, jeweils von dem Mieter in Dreijahresabständen kündbar. Dies wäre z.B. der Fall für Mietverträge über eine gemischte Nutzung, z.B. Büroräume und Gewerbe mit einer Dauer von bis zu 9 Jahren.
Wir teilen die Auffassung der ministeriellen Antwort nicht, da eine „Ordre Public“ Regel als solche keine Anwendung per se auf bestehende Verträge rechtfertigt.
Was die Normenordnung angeht so ist zu berücksichtigen, dass eine ministerielle Antwort selbst keine Gesetzesordnung darstellt.
Denn in der französischen Hierarchie der Normen hat die Verfassung und das primäre Gemeinschaftsrecht höchsten Rang. Der zweite Rang wird von den Gesetzen belegt, anschließend kommt das sekundäre Gemeinschaftsrecht, die Urteile und fast an letzter Stelle der Hierarchie stehen die ministeriellen Antworten.
Allerdings ist davon auszugehen, dass die ministerielle Antwort den Gerichten vorgelegt wird und diese sie bei Urteilsfällung zur Orientierung heranziehen werden. Es besteht somit Rechtsunsicherheit über die zeitliche Anwendung der neuen Regeln über die Dauer der gewerblichen Mietverträge für am 20. Juni 2014 bestehende Mietverträge.